1 Einleitung

Als sich 1994 die VRML Community formierte, setzte sie sich als Ziel nicht mehr und nicht weniger als das Erstellen von Standards für die Implementierung des Cyberspace (vrml.org 97 (1)). Konkret bedeutete dies, daß Standards zu schaffen waren, die die Darstellung von dreidimensionalen, aktiven und reaktiven Objekten und eine verteilte Interaktion von Benutzern an verschiedenen Rechnern eines Rechnernetzes über diese Objekte ermöglichen. Im Prinzip sollte mit diesen Standards, die entsprechenden technischen Voraussetzungen gegeben, ein beliebiger Ausschnitt der Realität in einer virtuellen Welt abbildbar sein.

Um dieses Vorhaben mit seiner zweifellos hohen Komplexität in einen überschaubaren Zeitrahmen zu bringen, wurde das Projekt in drei Teilschritte geteilt, die zeitlich aufeinander folgen und sachlich aufeinander aufbauen sollten:

  1. Erstellen von Standards für die Definition des Aussehens von (statischen) Objekten im dreidimensionalen Raum.

  2. Dieses Ziel wurde noch 1995 mit dem VRML 1.0 Standard erreicht.
  3. Erstellen von Standards für die Definition des Benehmens dieser Objekte (Dynamik)

  4. Dieses Ziel wurde 1996 mit dem VRML 2.0 ("Moving Worlds") Standard erreicht.
  5. Erstellen von Standards für die Verteilung von dynamischen Objekten (multi-user)

  6. Dies ist das Ziel von Living Worlds. Ein Draft dazu liegt seit Ende 1997 in einer relativ stabilen zweiten Version vor.
Living Worlds

Für eine echte Verteilung von virtuellen Welten muß der Standard insbesondere zwei Aspekte behandeln: Interpersonalität und Interoperabilität. Des weiteren sollte der Austausch von Daten echt verteilt, d.h. ohne einen zentralen Server ablaufen können. Schließlich legten die Entwickler des Standards noch Wert darauf, dass der Benutzer für die Nutzung solcher "lebender Welten" nicht mehr an eigener Software benötigen solle als einen VRML 2.0 kompatiblen Browser.

Unter Interpersonalität versteht man in diesem Kontext die "Unterstützung der virtuellen Präsenz vieler Personen in einer einzelnen Szene zur gleichen Zeit; diese Personen können sowohl mit den Objekten in der Szene als auch miteinander interagieren" (vrml.org 97 (1)). Dies wird durch die Verwaltung von und den Informationsaustausch zwischen verteilten Objekten unterstützt.

Interoperabilität bedeutet hier, daß "Anwendungen aus Bibliotheken von Komponenten dynamisch zusammengestellt werden können, die unabhängig und von verschiedenen Entwicklern erstellt worden sind" (vrml.org 97 (1)). Dies ist durch eine klare Schnittstellendefinition und durch die Kapselung der Objekte mit ihrer Funktionalität von den eigentlichen Verteilungsmechanismen gewährleistet.

Um eine echte, serverlose Verteilung von Szenen über ein Rechnernetz zu erreichen, ist in die Architektur von Living Worlds eine spezielle Komponente, die sogenannte MUtech eingebaut, die auf jedem Client vorhanden ist und von dort aus sämtliche Kommunikation mit den anderen involvierten Clients direkt, also ohne Umweg über einen Server regelt. Um dennoch zu ermöglichen, daß der Benutzer eine "Living World" mit nichts als seinem VRML 2.0 Browser nutzen kann, haben die Entwickler des Standards sich einen Trick einfallen lassen. Die MUtech ist nicht als ausführbare Datei, etwa in Form eines Plugins für den VRML Browser, vorgesehen, sondern als VRML 2.0 PROTO Deklaration. Dieses VRML 2.0 PROTO kann beim Aufbau der Verbindung zu einer Welt von einem Internethost (etwa dem des Entwicklers dieser speziellen MUtech) geladen werden und kommuniziert dann über standard VRML 2.0 Skripte mit dem VRML Browser, während es auf der anderen Seite die Netzwerkkommunikation mit den anderen beteiligten Clients übernimmt.